Ganz entspannt im Hier und Jetzt versus Selbstoptimierung

In Ausgaben des „Bravo“-Magazins der 1970er-Jahre, die ich zu Beginn meiner Pubertät sehr gern las, galt bei Leserangaben das Hobby „Faulenzen“ als gängig und akzeptabel. Heute haben die Medien für alle nach 1980 Geborenen das Schlagwort „Generation Selbstoptimierung“ erfunden.

Selbstoptimierung werde als „Fetisch“ seiner Generation angesehen, schreibt ein Student im Magazin „Medienblick Bonn“. Die unter 40-Jährigen seien geradezu besessen von der Perfektion, beziehungsweise der perfekten Präsenz. Über 15 Jahre der Casting-Show-Kultur im Fernsehen, ein Arbeitsmarkt, in dem fachliche Qualitäten heute allein nicht mehr ausreichen, sondern in dem überall auf „Persönlichkeit“ geachtet wird und starker Konkurrenzdruck unter jungen Erwachsenen kommen hier zum Tragen.

In punkto Selbstoptimierung nimmt heute auch Yoga eine neue Gestalt an: Firmenyoga soll die Mitarbeiter fit machen, entspannen und den innerbetrieblichen Zusammenhalt stärken. Ähnlich wie der in nördlichen Ländern einst verpönte Mittagsschlaf dem leistungssteigernden Power-Nap gewichen ist, haben Personalabteilungen erkannt, dass Yoga keine abgedrehte Eso-Praxis sein muss, sondern ihre Mitarbeiter effektiver machen kann.

Auch die Mentalität der Selbstoptimierung kann Yoga bestens bedienen. Auf Instagram posten Yoga-Stars spektakuläre, perfekte Fotos, die sie in anspruchsvollen Yoga-Posen zeigen und die millionenfach angeschaut werden. Einerseits können solche Bilder zum Nachmachen motivieren, andererseits markieren die Yoga-Stars mit der Zahl ihrer Follower im Netz auch professionelles Terrain im zunehmenden Konkurrenzkampf der weltweit rasant wachsenden Yoga-Szene.

Nach einem Interview der Instagram-Yogini Rachel Brathen (über zwei Millionen Abonnenten) beim erzkonservativen US-Sender Fox-News beschrieb die New Yorker Yoga-Bloggerin Hollypenny bei yogadork.com den Yoga-Instagram-Hype als „faszinierend, frustrierend und perplexend“ und fragte : „Warum sind wir eigentlich so besessen davon, unglaublich schwere Yoga-Balance-Posen am Strand beim Sonnenuntergang zu sehen, wo doch 90% von uns keinen Anlass dazu haben, diese Stellungen in unsere eigene Yoga-Praxis einzubinden?“