Patanjalis Kleshas – Trübungen unseres Geistes

Ashram in Kerala, Indien

Wie kommt es, dass wir so oft Enge und Unzufriedenheit in unserem Leben empfinden, dass uns in unserem Dasein etwas fehlt? Patanjali sieht die Ursache in den Trübungen unseres Geistes, Sanskrit: den Kleshas. Er stellt anfangs klar heraus, dass unsere Bewusstseinszustände unser gesamtes Handeln bestimmen. Leider ist es so, dass unser Geist im „Normalzustand“ zerstreut ist. Wir reagieren auf unzählige äußere Reize, während unverarbeitete Sinneseindrücke in uns noch aktiv sind. In der Kommunikation mit anderen werden unsere Bewusstseinsaktivitäten noch verworrener. Wenn wir meditieren können wir die Struktur unseres Geistes gut erkennen. Der Geist widersetzt sich aber unserem Versuch, seine Struktur zu verändern und fällt von selbst immer wieder in die alten Wahrnehmungsmuster zurück.

Die fünf Trübungen des Geistes

Patanjali unterscheidet fünf Wahrnehmungsqualitäten, die unser Handeln unharmonisch machen:
1. Unwissenheit oder falsches Wissen. Zum Beispiel: Wir denken unsere Wahrnehmung sei objektiv, was sie nie sein kann.
2. Falsches Einschätzen der eigenen Person: Wir sehen uns nur in unserer gelernten, von anderen definierten Rolle, wir klammern uns an unser Ego.
3. Drängendes Verlangen etwas haben zu wollen. Dies ist meistens die Triebfeder unseres Handelns. Oft motivieren unerfüllte Wünsche der Vergangenheit unser Handeln, wir substituieren und kompensieren, unser Handeln wird eine unbefriedigende Endlosschleife.
4. Abneigung: sie ist die Kehrseite der Medaille des Haben-Wollens. Wenn wir immer wegschauen, ausweichen, uns grundlos Schämen, verlieren wir mit dem Aufrechthalten dieser Schutzschilder viel Lebensernergie.
5. Angst, insbesondere die Angst vor dem Sterben. Das Ego hat Angst unterzugehen. Wir haben Angst, allein gelassen zu werden, etwas zu verpassen, aber auch, unsere Grenzen und Bedürfnisse zu formulieren und damit die Gewohnheit, die Komfortzone des vermeintlich unbeschwerten Zusammenlebens infrage zu stellen.

Beobachtet selbst einmal am Morgen direkt nach dem Aufwachen, welche Kleshas sich in den Kopf schleichen: Du wachst auf, Dein Bewusstsein ist noch ganz klar, draußen scheint die Sonne und die Vögel singen. Dann kommen die ersten Gedanken: „das schöne Wochenende ist vorbei, wie schade. Ich habe so viel zu tun, wozu ich keine Lust habe, hoffentlich erledige ich meine Arbeit, und dann…“ Draußen singen immer noch die Vögel, aber wir hören sie nicht mehr…

Wir haben als Yogis in unserem Leben die Wahlmöglichkeit, unser Bewusstsein auszurichten

Yoga bedeutet, immer die Verantwortung für sein Glück zu übernehmen. Yoga ist Geschicklichkeit im Handeln. Durch Yoga können die Spuren negativer Handlungen gelöscht werden und wir können harmonisches Handeln – im Einklang mit uns selbst und unserer Umwelt – lernen. Diese drei Definitionen von Yoga finden wir in klassischen indischen Texten.

Es gibt für die Yogis zwei Grundwahrheiten:

1. dass es immer Leben gibt, das immer da ist, egal, was wir gerade denken oder tun. Der Urkern der Existenz ist jenseits unserer normalen kognitiven Wahrnehmung.
2. das, was wir überhaupt wahrnehmen können, ist einem stetigen Wandel unterworfen.

Zusammen bedeutet dies: wir können unsere Existenz nicht kontrollieren. Vom bloßen Funktionieren, Konsumieren und Vegetieren in die reine unkontrollierbare Existenz zu gehen, erfordert großen Mut und Intelligenz, denn es ist ein Schritt ins Unbekannte. Yoga lässt uns die Ursachen fehl gelaufenen Handelns besser Erkennen, es gibt uns mehr Demut und Intuition beim Einschätzen von Gesamtsituationen. Wir entwickeln die Fähigkeit, uns entscheiden zu können, ob wir in einer Situation gleich reagieren oder sie uns anschauen und so das Licht, eine Bewusstheit in den gegenwärtigen Moment hineinbringen, die diese Situation klärt und zu einem positiven Ausgang bringt. Aus einer bewussten Wahrnehmung heraus wird unser Handeln harmonisch mit der Umgebung. Die Yogis sagen, es wird unsichtbar, es hinterlässt keine Spuren mehr, wir verschmelzen mit der Handlung, eine Erfahrung von Flow und Glückseligkeit stellt sich ein.