Die Bandhas – Anschnallgurte auf der Energie-Autobahn

Der Hermesstab ist ein schönes symbol für die gegenläufigen Zugkräfte der Bandhas

Einige haben im Yoga-Unterricht schon mal das Sanskritwort „Bandha“ gehört. Bandha bedeutet „bündeln“, zusammenbinden. Anatomisch gesehen sind Bandhas muskuläre Kontraktionen. Mit ihrer Hilfe „umarmen“ wir mit unseren Muskeln die Gelenke und die Wirbelsäule. Wir optimieren den Fluss unserer Atmung und die Kraft unserer Verdauung. Wir können unsere Lebensenergie effektiver nutzen.

Energie kann man nicht zerstören. Man kann sie umwandeln. Yogis und Quantenphysiker sind sich darüber einig, dass wir „Energie sind“. Die Yoga-Tradition erklärt die Welt anhand der drei Gunas, übersetzt: Fäden, aus denen die Welt „gewoben“ ist. Auf Sanskrit heißen sie Tamas, Rajas und Sattva, übersetzt Trägheit, Bewegung und Klarheit. In der Sichtweise des Yogas durchdringen diese drei Qualitäten alles. Unser Körper besteht aus Materie, für sich allein genommen ist er unbeweglich, träge. Seine innere Lebenskraft, sein Prana bewegt ihn. Im Tun, im Sein finden wir Klarheit, Licht. Wie können wir diese Fäden richtig miteinander verweben, unsere Energie in die richtigen Bahnen lenken?

Es gibt in der traditionellen Yoga-Sichtweise zwei wesentliche Winde, gemeint Richtungen, in die Energie fließt. Prana-Vayu, vom Zwerchfell zum Herzen und Apana-Vayu, von den Rippenbögen zum Unterbauch. Zwischen diesen beiden brennt das Verdauungsfeuer, Samana-Vayu, das Energie umwandelt. Wenn wir beim Yoga den Unterbauch innen halten, entfachen wir unser Verdauungsfeuer (Agni). Auf psychischer Ebene kommen wir dazu, unsere Sinneseindrücke zu sortieren (wenn wir unser „Bauchgefühl“ benutzen, bevor uns etwas „auf den Magen schlägt“).

Stellt euch vor, ihr seid ein Haus. Würdet ihr dort ständig auf Durchzug lüften und dabei die Heizung laufenlassen? Viel Energie verpufft, sagen die Yogis, sie verfliegt nach oben (durch den Mund) und nach unten, mit der Schwerkraft, ohne dabei unser inneres Feuer anzuheizen, das uns mehr Klarheit und Willenkraft gibt, auf der wir Zufriedenheit, innere Ruhe und Leichtigkeit gründen können.

Yoga kennt zum Glück gut machbare Übungen, um so einen Energieverlust zu dämmen. Die Bandhas, muskuläre Kontraktionen, um die Energie an bestimmten Punkten des Körpers zu fixieren. Die Bandhas geben äußere und innere Stabilität. Äußerlich verbessern sie unsere Körperhaltung. Innerlich geben sie der Atmung mehr Tiefe und Leichtigkeit. Beides hängt direkt miteinander zusammen. Komplexe Yoga-Haltungen gehen ohne Kenntnis der Bandhas nur sehr beschwerlich und mit erhöhter Verletzungsgefahr.

Bandhas kann jede(r) lernen, einfach nur den Anweisungen des Yogalehrers folgen: Die Ansage „Steißbein zum Schambein“ setzt Mula Bandha. Damit diese Bewegung gelingt, werden wir den unteren Teil der Beckenbodenmuskulatur, das Diaphragma pelvis anspannen.

Die Ansage „Rippenbögen nach innen und unten“, setzt Uddiyana Bandha, das Bandha der „großen auffliegenden Vögel“. Es spricht die tiefen Bauchmuskeln an. Der Brustkorb, die Flanken heben, der Herzraum kann sich öffnen.

Die Ansage „langer Hinterkopf, lächelt mit der Kehle, lauscht auf das Geräusch eures Atems“ setzt Jalandhara Bandha, den Kehlverschluss. Wir werden den großen Kopfwender, den Sternocleidomastoideus anspannen, als ob wir einen Krug Wasser auf der Kopfkrone balancieren. Mit Jalandhara Bandha bleiben die Augen und mit ihnen der Geist ruhig, auch wenn es anstrengend wird.

Wonach wir mit dem Setzen der Bandhas suchen ist ein Gefühl, als würden unsere Muskeln unsere Knochen, Gelenke, unsere Wirbelsäule „umarmen“, umschlingen und halten. Denkt an den Rüssel eines Elefanten, an die Muskulatur einer Schlange. Ein antikes Symbol für die gegenläufigen, spiraldynamischen Kräfte, die wir mit den Bandhas aktivieren, ist der Hermesstab, um den sich zwei Schlangen gegenläufig zueinander nach oben winden. Die Energie wird nach oben gelenkt, der Hermesstab hat an seinem oberen Ende zwei Flügel (siehe Bild). Tatsächlich entlastet die Aktivierung von gegenläufigen Zugkräften – was wir beim „Setzen der Bandhas“ machen – die Gelenke und die Bandscheiben, in welche wir uns ansonsten in unseren (Alltags-)Haltungen unsanft hineindrücken. Mit genug Übung verleihen die Bandhas dem Yogin Flügel.

Für mich persönlich sind die Bandhas wie Saiten einer Violine oder Gitarre. Setze ich meine Fingerkuppe auf dem Griffbrett an der richtigen Stelle auf, stimmt der Ton, es klingt gut. Was auch bedeutet, dass es nicht richtig ist, zu viel von dem oben Beschriebenen zu machen und sich „zu hoch zu stimmen“. Mehr ist nicht unbedingt besser. Zu viel Spannung brennt den Körper und das Nervensystem aus. Der Rest ist Üben. Es wird nie langweilig werden, die Bandhas immer feiner aufeinander abzustimmen.