Yoga und Musik – pro und contra

Letztes Jahr war ich auf einem Yogafestival, das auf einem öffentlichen Campingplatz in Brandenburg stattfand. Einige der anderen, „normalen“ Camper waren nicht erfreut über die Yogi-Invasion. Um uns zu ärgern, spielten sie aus ihren aufgemotzten Geländewagen krasse Heavy-Metal-Musik auf voller Lautstärke. Ihr gehörnter Plan ging auf. Schon bald gab es recht viel Abstand zwischen den Yogis und den Metal-Freunden. Manche, die wegen Platzmangels doch in ihrer Nähe zelten mussten, flehten sie teilweise auf Knien an, die schreckliche Musik auszumachen. Nebenbei sei erwähnt, dass es in Berlin längst schon Metal-Yoga gibt. Ja, wenn es um Yoga und Musik geht, scheiden sich die Geister. 

Yoga macht sensibler, auch Musik gegenüber. Yoga zu „falscher“ Musik zu üben, kann unendlich nervig sein. Da man über Geschmack und Befindlichkeiten schwer streiten kann, lassen viele Yoga-Lehrer beim Unterricht die Musik weg. Im heutigen Online-Yoga wird Musik nun zur individuellen Entscheidung. Es gibt Playlisten, die man während der Stunde laufen lässt oder nicht – ein echter Vorteil.

Das stärkste Argument gegen Musik beim Yoga ist, dass man dort nach innen gehen möchte, die Sinne von der Außenwelt abkoppeln soll. Der Yoga-Weise Patanjali prägte vor 2000 Jahren dafür den Begriff Pratyahara: die Sinne von ihren Objekten trennen. Musik als äußeres Objekt sei kontraproduktiv, so die Gegner.

Das stärkste Argument für Yoga mit Musik ist, dass Pratyahara nicht einfach so funktioniert. Oft haben wir beim Yoga – vor allem abends – den Kopf so voll, dass wir uns schwer auf die Praxis einlassen können. Musik schafft hier einen geschützten Raum, wirkt Langeweile und Müdigkeit entgegen. Musik kann uns in einem unkonzentrierten Zustand abholen, unsere Wut kanalisieren, Angst blockieren, uns anfeuern. Wir lassen uns emotional mehr auf das ein, was uns in der Praxis begegnet, wir können uns mehr hingeben, anstatt mechanisch zu üben. Freude und Verbundenheit, Geborgenheit können mit Musik tiefer empfunden werden. Musik kann das Glücksgefühl beim Üben verstärken. Kann, muss aber nicht!

Folgende Tipps kann ich euch geben: Sucht euch Musik, die einen für euch eher unpersönlichen Charakter hat. Das auf Deutsch gesungene Liebeskummerlied und der Sommerhit von vor ein paar Jahren fördern nicht unbedingt eure Präsenz im Hier-und-Jetzt. Für mich funktioniert da der moderne Mantra-Pop von Deva Premal, Snatam Kaur und Co. Wenn ihr Yin-Yoga, Pranayama oder Meditation übt, braucht eure Musik keine Beats. Hier bin ich Fan der Naturgeräusche: Wellen, Vogelzwitschern, Erdtöne, Klangschalen. Nothing beats nature! Jede Musik ist ja nur ein Versuch, die klanglichen Wunder unseres Kosmos zu verlautmalen.

Auch wenn im traditionellen Ashtanga-Yoga keine Musik läuft, finde ich diese sehr hilfreich beim Üben von Vinyasa-Flows. Hier sollte das Tempo eurem Herzschlag und dem Atemrhythmus entsprechen – was die Yogini zur DJane macht. Eine gute Playliste fängt ruhig und langsam an, steigert sich in Tempo und Intensität und klingt wieder ruhig aus.

Musik kann einfach auch der pulsierende Körper sein, der Herzschlag, das gleichmäßige Geräusch der Ujjayi-Atmung. Es wäre schade, wenn man sich von Musik beim Yoga abhängig macht und ansonsten keine innere Inspiration findet. Gleichzeitig hat Musik beim Yoga ihre volle Berechtigung. Fazit: weder pro noch contra. Yoga ist ein Weg, aus Robotern wieder Menschen zu machen. Zu diesem Ziel führen viele Wege. Die Welt ist Klang, ihr seid Klang, Schwingung. Manchmal hilft die richtige Musik dabei, das wiederzuerkennen. Musik und Stille sind zwei Seiten derselben Medaille.