Wie geht eigentlich Mula Bandha?

Bauchtänzerinnen brauchen ihn. In der Rückbildung nach der Schwangerschaft geht es vor allem um ihn. Vernünftig husten, niesen und Trampolin springen klappt nur mit ihm, und damit ist noch lange nicht alles gesagt. Die Rede ist von unserem Beckenboden. Auch im Hatha-Yoga gilt die tiefe Beckenbodenmuskulatur als tragende Mitte, als wichtigstes Kraftzentrum.

Ein gezieltes An- und Entspannen des Beckenbodens sei Voraussetzung für Erfolg im Yoga, steht schon in den traditionellen Yoga-Grundlagentexten, wie der Hatha-Yoga-Pradipika aus dem 15. Jahrhundert. Aber wie genau soll das gehen? Gerade Männer schrecken davor zurück, sich mit diesem intimen, verborgenen, esoterischen Teil ihres Körpers zu beschäftigen. Sehr leicht lässt sich das Üben mit diesem obskuren, dunklen, versteckten, vielleicht durch Etikette unterdrücktem Zentrum missverstehen, was zu Verkrampfung, ja Unbehagen führt. Der Beckenboden ist kein Selbstgänger.

Wenn wir unsere Hüfte von allen Seiten aus betrachten, sehen wir vorn das Becken und hinten das Kreuzbein. Zum Becken gehören die Darmbeinstachel (Hüftknochen), das Schambein und die Sitzbeinhöcker (auf denen wir beim Yoga sitzen). Die Rückseite besteht aus dem Kreuzbein (der verknöcherten Verlängerung unserer Wirbelsäule), und dem Steißbein. Zusammen ergeben sie eine Art Schale. In dieser Schale gibt es zwei übereinander liegende muskuläre Schichten, zwei Ringe des Beckenbodens. Ganz unten befindet sich das so genannte Diaphragma pelvis. Über ihm liegt das Diaphragma urogenitale. Eine dritte darüber liegende Schicht (die uns hier aber nicht weiter interessiert) ist die Damm-Muskulatur.

Die untere Schicht, das Diaphragma pelvis, verbindet das Steißbein mit dem Schambein. Wenn wir diesen Muskel anspannen (das Steißbein nach innen ziehen, wie man es schon oft im Yoga-Unterricht gehört hat), dann kippt das Becken nach hinten, richtet sich auf. Natürlich ist das Diaphragma pelvis nicht allein verantwortlich für die Aufrichtung des Beckens.  Richtig eingesetzt, steuert es umliegende Muskeln, insbesondere den Iliopsoas an, der sich dehnt und den Raum freigibt. Weitere Mitspieler sind der Po und die Beinrückseiten, neben der quer verlaufenden, tiefen Bauchmuskulatur. Wenn man das Diaphragma pelvis, also den unteren Beckenboden nicht einsetzt, wird dieser Muskel schwach, er erschlafft. Unsere Energie entweicht nach unten.

Der darüber liegende muskuläre Ring, das Diaphragma urogenitale, zieht dagegen die Sitzbeinhöcker zusammen, aufeinander zu, wenn er anspannt-, auseinander, wenn es loslässt. Dieser Muskel wird bei Nichtbenutzung kurz, er verkrampft. Dann fühlt man sich wie ein geprügelter Hund, der den Schwanz zwischen den Beinen einklemmt. Die Sitzknochen aufeinander zu ziehen ist eine Stress- und Angstreaktion, unterstützt von weiteren Muskeln in der Hüfte, wie dem Birnenförmigen Muskel (Piriformis) und den schrägen Bauchmuskeln. Klar also, dass wir bei  Yoga die obere Beckenbodenschicht weiten wollen. Dies geschieht, wenn wir die Sitzknochen oder Sitzbeinhöcker auseinander-, in die Weite schieben. Wer aus dem Yoga-Unterricht die Ansage „Sitzhöcker weit“ kennt weiß jetzt, wozu das gut sein soll.

Weil diese beiden Muskeln, Diaphragma pelvis und Diaphragma urogenitale, also unterschiedliche Dinge tun und sich dabei gegenseitig aufspannen (antagonisieren), sollten wir sie beim Yoga differenziert trainieren, ihre beiden verschiedenen Bewegungen miteinander in Balance bringen. Den Beckenboden aktivieren ist mehr als nur „den Po anspannen“.

Wenn wir im Unterricht die Übung Katze-Kuh machen, können wir sehr gut diese beiden Bewegungen für sich allein spüren. In der Kuh machen wir ein Hohlkreuz, die Sitzknochen weiten sich, das Steißbein geht nach hinten raus, wir machen einen Entenpo, als trügen wir hohe Absätze. In der Katze machen wir einen Buckel, das Kreuzbein wird lang und das Steißbein zieht zum Schambein, die Sitzknochen ziehen aufeinander zu wie beim geprügelten Hund.

In der Symbolik des Yogas steht der Beckenboden für unsere Wurzeln, das, was unsere Eltern und Ahnen uns mit auf den Weg gegeben haben. Die Licht und Schattenseiten davon sind einerseits Erdung und Stabilität und dann aber auch Trägheit und alte unüberprüfte Muster, aus denen wir eventuell gern aussteigen würden. Indes, wenn wir den Beckenboden richtig einsetzen, können wir unsere innere Stabilität und Aufrichtung kultivieren und gleichzeitig die träge „tamasische“ Energie dieses Zentrums nach oben lenken, in den Bereich unserer Tatkraft und unserer Herzlichkeit, in den Bereich unseres Bewusstseins. 

Die Kunst von Mula Bandha, also dem korrekten Aktivieren der Beckenbodenmuskulatur liegt darin, beide Bewegungen miteinander so auszubalancieren, dass wir beides finden. 1. Steißbein zum Schambein / Schambein nach oben zum Bauch. Das gibt Erdung und Stabilität. 2. Sitzknochen bleiben weit. Die alten Schlacken, die Trägheit können nach oben gedrückt werden, wo sie von unserem Verdauungsfeuer verbrannt, umgewandelt werden, sagen die Yoga-Schriften. Mula Bandha sei das wichtigste Bandha, das zunächst „ohne Unterlass geübt werden solle, bis es sitzt“. Erfolg ist, wenn wir uns mit dieser Technik stabiler, selbstbewusster und sinnlicher fühlen.