Vyana-Vayu – pulsierende Energie

Sich zum Himmel strecken

Vyana-Vayu ist die Kraft, die sich fortwährend – über das Blut, die Lymphe, Nervenimpulse und Botenstoffe – im Körper ausbreitet. Mit dynamisch fließenden Yoga-Sequenzen aber auch mit konzentriert gehaltenen statischen Asanas können wir sie spüren und kultivieren.

In der Sichtweise des Yogas besteht alles aus Energie und Schwingung – womit der Yoga bereits vor Jahrhunderten intuitiv die Erkenntnisse der modernen Quantenphysik vorwegnahm. Mit „Vayus“ (wörtlich Winde) beschrieben die alten Yoga-Meister die Richtungen, in denen die Energie im Menschen fließt.

Es gibt fünf verschiedene Vayus: Prana-Vayu (Sitz im Brustraum) ist die Kraft, die aufnimmt: Einatmen, sehen, riechen, schmecken. Apana-Vayu (Sitz im Unterbauch) ist die Kraft die abgibt: Ausatmen, sprechen, ausscheiden. Samana-Vayu (Sitz im Oberbauch) ist die Kraft, die umwandelt: Verdauen, Sinneseindrücke verarbeiten. Udana-Vayu (Sitz im Kehlbereich) ist die kommunizierende Kraft, sie bestimmt, wie wir uns in der Welt ausdrücken.

Überlegt doch selbst einmal kurz, welche Art von Yoga ihr besonders mögt. Was für Yoga euch leicht fällt. Welche Art von Yoga euch gut tut. Sind es Rückbeugen mit tiefer Einatmung? Dann seid ihr ein sonniger Prana-Vayu-Typ. Liebt ihr Vorbeugen, mit ruhiger langer Ausatmung (Rechaka-Kumbhaka)? Dann tendiert ihr zur Mondenergie von Apana-Vayu. Helfen euch viele Drehungen und kraftvolle Armbalancen? Damit betont ihr das Verdauungsfeuer im Samana-Vayu. Singt ihr am liebsten Mantras? Dann schwingt Udana-Vayu in euch.

Vyana-Vayu verbindet diese vier Kräfte miteinander. Vyana-Vayu hat kein festes Zentrum, es ist omnipräsent im Körper, lenkt – laut yogischer Sichtweise – das Prana durch unsere 72.000 Energiekanäle, die Nadis. Gerät Vyana-Vayu aus dem Ruder, dann leidet unsere Koordination – auf körperlicher und geistiger Ebene.

Genau wie in jedem anderen Ausdauersport (Laufen, Schwimmen) wird Vyana-Vayu beim Yoga durch fließende Bewegungsabläufe aktiviert. Deswegen beginnen wir jede Yoga-Praxis mit einem Warm-Up, wo jeder Muskel unseres Körpers angesprochen werden soll. Katze-Kuh und alle Formen des Sonnengrußes gehören dazu. Sind wir dann aufgewärmt, können wir die verteilende und integrierende Kraft von Vyana-Vayu in jeder statischen Yoga-Haltung finden. Etwa beim Setzen der Bandhas, wo wir den Körper mit gegenläufigen muskulären Zugkräften aufspannen und jede Yogahaltung damit zur Ganzkörperübung-, zur Balance-Übung machen. Oder beim Beobachten und Regulieren einer gleichmäßigen tiefen Ujjayi-Atmung, hier wirkt der Atem als Brücke zwischen dem Körper, den Sinnen und dem Gehirn. Wenn es uns gelingt, unseren Körper und unseren Geist ohne Störung auf die Übungen auszurichten, dann sind die Vayus in uns ausbalanciert.