Mutig voranschreiten

Yoga für Standfestigkeit

Zur psychologischen Dimension unserer Beine

Wie geht’s? Wie ist das Leben? Beinhart? Hast du einen Klotz am Bein? Stehst gar mit einem Bein am Abgrund? Oder reißt du dir gerade ein Bein aus, um etwas zu schaffen? Stellt dir dabei jemand ein Bein? Geht dir das durch Mark und Bein? Oder kannst du etwas auf die Beine stellen?

In unserer Selbstwahrnehmung (teilweise bedingt durch unseren gesellschaftlichen Kontext) sind die Beine positiv mit den Themen Sicherheit und Bodenständigkeit verbunden, mit Fortschritt, Erfolg und Selbstbewusstsein. In nahezu allen Kulturen gelten lange und schlanke Beine als attraktiv. Kein Wunder: Unseren Vorfahren sicherten sie das Überleben. Heute werden Models mit langen Beinen reich. Auch die Traumdeutung verschiedener Kulturen interpretiert die Beine als Symbol für Sicherheit, Unabhängigkeit, Finanzen (das Standbein) und für das soziale Umfeld. Wir stehen auf eigenen Beinen, brauchen keine fremde Hilfe. Auf der Schattenseite zittern uns vor Angst die Beine, etwas Böses macht uns Beine, wir nehmen die Beine in die Hand, wenn wir fliehen.

Angst ist also die Emotion, die uns in die Beine fährt. Angst bedeutet Grenze, Sackgasse, Einschränkung, Gefängnis. Manche fühlen sich im Zuge des zweiten Lockdowns im November 2020 wie gelähmt vor Angst. Das Element der Angst ist die Erde. Auch unsere Beine repräsentieren das Element Erde in uns. Das Potential der Angst, ihre Aufgabe ist die Kreativität. Echte Angst kann unheimlich lebendig machen. Wenn wir instinktiv vor einer Schlange, die auf dem Weg liegt und sich zum Angriff aufbäumt, zur Seite springen, dann haben wir echt Angst.

Wenn wir sechsmal am Tag in unseren Taschen nachschauen, um zu prüfen, ob die Kreditkarte noch da ist, ob wir unseren Hausschlüssel dabei haben et cetera, dann ist das keine Angst. Es ist Angst vor der Angst. Wir haben Angst vor einer fiktiven, unberechenbaren Situation. Angst vor dem Unbekannten. Das ist dann ein diffuses Gefühl, das uns misstrauisch und verschlossen macht. Manchmal weichen wir aus Angst vor der Angst bestimmten Situationen aus, die uns dann immer wieder einholen.

Wenn man schließlich der Angst nicht mehr ausweicht, vor Angst schlottert, sie wirklich annimmt und durch sie hindurch geht, dann ist sie womöglich das echteste und wirkungsvollste Gefühl. Angst verleiht Flügel, sagt der Volksmund. Time for Action, der Körper nutzt alle Reserven. Unsere Beine tragen uns, sie geben uns Standfestigkeit und bringen uns weiter. Wir gehen durch unsere Angst hindurch, und die Angst kann uns über eine Schwelle tragen, wenn wir sie bewusst durchleben. Ein Gefühl starker Angst ist wie ein Tod, nach dem wir neu geboren werden.

Wie gut, dass wir mit Yoga unsere Beine bewegen und fordern, ohne dabei gegen die Wand zu laufen. Probiert es aus: Übt eine Yoga-Sequenz, die richtig in die Beine geht und spürt nach, ob danach die Angst weniger-, die innere Ruhe und das Selbstvertrauen größer geworden sind.